Gifford Lectures in Buchform erschienen
Religionswissenschaftler Schmidt-Leukel über „Religious Pluralism and Interreligious Theology“
Die Gifford Lectures des Religionswissenschaftlers und anglikanischen Theologen Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster sind in einer erweiterten Fassung in Buchform erschienen. Der Band aus dem Verlag Orbis Books in Maryknoll, New York, trägt den Titel „Religious Pluralism and Interreligious Theology“ (Religiöser Pluralismus und interreligiöse Theologie). Schmidt-Leukel hielt die Vorträge 2015 im Rahmen der renommierten Gifford Lectures im schottischen Glasgow als erster Deutscher seit 25 Jahren. Er sprach über das Thema „Interreligious Theology: The Future Shape of Theology” (Interreligiöse Theologie. Die Zukünftige Gestalt der Theologie) und präsentierte erstmals eine neue Theorie der Religionsvielfalt. Die Einladung zu den Giffords ist eine der höchsten internationalen akademischen Auszeichnungen auf dem Gebiet der Religionsphilosophie und Theologie. Als letzte Deutsche erhielt diese Auszeichnung Annemarie Schimmel (1991-92). Das Buch mit den Gifford Lectures soll auch in einer deutschen und einer chinesischen Übersetzung erscheinen.
Das Buch enthält neben den Gifford Lectures eine weitere Vorlesungsreihe über religionspluralistische Ansätze in Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus, die Perry Schmidt-Leukel 2014 an der Zhejiang University von Hangzhou in der China gehalten hat. Die Vorträge fassen die Ergebnisse seiner Forschungen am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ seit 2009 zur Pluralismusfähigkeit der Religionen und zur interreligiösen Theologie, derzeit im Projekt C2-16 „Interreligiöse Theologie“, zusammen.
Komplementäre Heilswege
Der Wissenschaftler bezeichnet als „religiösen Pluralismus“ eine Haltung, die andere Religionen als „zwar verschiedene, aber dennoch gleichermaßen gültige und vielfach komplementäre Heilswege“ betrachte. „Diese Sichtweise besitzt zugleich bedeutsame politische Implikationen insofern religiöse Ansprüche auf Alleingültigkeit oder Überlegenheit häufig dem interreligiösen Konfliktpotential zugrunde liegen.“ Der „religiöse Pluralismus“ laufe letztlich „von seiner inneren Anlage her“ auf eine interreligiöse Theologie hinaus.
Im ersten Teil des Buches zeigt und diskutiert der Autor die Entwicklung religionspluralistischer Positionen innerhalb von Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus und chinesischen Religionen. „Sobald eine andere religiöse Tradition jedoch als im religiösen Sinne gleichwertig anerkannt wird, lässt sich theologische Reflexion nicht mehr länger exklusiv auf die je eigene Religion beschränken“, schreibt der Wissenschaftler. Vielmehr gelte es nun, Theologie auf interreligiöse Weise im gemeinsamen Diskurs zu praktizieren. Die damit verbundenen methodologischen Fragen behandelt der zweite Teil des Buches. Außerdem zeigt der Autor das Potential interreligiöser Theologie an konkreten Beispielen auf, an einer interreligiösen Theologie zentraler Bekenntniskategorien wie „Prophet“, „Sohn Gottes“ und „Buddha“ sowie an einer christlich-buddhistischen Theologie der Schöpfung.
Die Möglichkeit interreligiöser Theologie werde durch ein strukturelles Moment religiöser Vielfalt befördert, die nach Auffassung Prof. Schmidt-Leukels „fraktale“ Züge aufweist. Das heißt, zentrale Unterschiede und Gegensätze zwischen den Religionen finden sich auch auf der Ebene inner-religiöser Vielfalt wieder. Inter-religiöse Theologie stehe daher in Kontinuität zu intra-religiöser ökumenischer Theologie. „Religionen sind weder alle gleich, noch sind sie radikal voneinander verschieden. Vielmehr gleichen sie einander gerade in ihrer inneren Vielgestaltigkeit.“ Diese Einsicht könnte nach Auffassung des Wissenschaftlers zur Grundlage jeder zukünftigen Theologie werden. Herkömmliche Theologien aller Religionen könnten sich in diese Richtung entwickeln. Diese Form, Theologie zu betreiben und Glaubensinhalte zu reflektieren, bringe verschiedene konfessionelle und religiöse Perspektiven beständig in Austausch miteinander. (exc/ill/vvm)